Experteninterview zum Thema Sport nach der Schwangerschaft mit Kathi Beddies

Experteninterview zum Thema Sport nach der Schwangerschaft mit Kathi Beddies

Wir hatten die Ehre mit der ehemaligen Profihandballerin Katharina Beddies ein Interview zu führen. Sie hat in verschiedenen Bereichen wie etwa Chiropraktik und Akupunktur Aus- und Weiterbildungen genossen und ist außerdem lizenzierte Beckenbodentrainerin. Durch Letzteres sowie Kathis großem Interesse und Engagement zum Sport ist sie eine absolute Expertin, wenn es um das Thema Sport nach der Schwangerschaft geht. Um den thematischen Rahmen einzugrenzen, beziehen wir uns in unseren Fragen auf ein zeitliches Fenster von acht Wochen bis ca. ein Jahr nach Geburt.

 

1. Was sind deine Top drei Übungen zum Wiedereinstieg in das Training nach dem Wochenbett?

Direkt nach dem Wochenbett stehen weiterhin aktive Übungen für die Regeneration und die Unterstützung der Heilungsprozesse nach der Geburt im Vordergrund. Meine Top drei Übungen sollen 1) den Kreislauf in Schwung halten 2) für körperliche und psychische Entspannung sorgen und 3) gleichzeitig die Muskulatur und das Gewebe des Beckenboden rückzubilden und gleichzeitig zu stärken. Meine Top drei Übungen im Wochenbett sind daher: Die Lotusblüte (Beckenboden Wahrnehmung und dosierte Kräftigung) Fußtreten in Rückenlage (allgemeine Aktivierung und Unterstützung des Gefäßssystems) Atmenübungen (zur Körperwahrnehmung und bewussten Entspannung.

 

2. Gibt es Übungen, die man vermeiden sollte? Wenn ja, was für Übungen sind das genau und was ist der Hintergrund, dass man sie unterlassen sollte?

Man sollte nicht direkt schwere (ca.12kg) Gewichte heben und Übungen vermeiden, die einen zu großen Bewegungsradius erfordern (z.B. tiefe Kniebeugen). Das könnte den Heilungsprozess des Gewebes stören. Im weiteren Verlauf ist eine ganzheitliche Kräftigung jedoch von großer Bedeutung um den jetzt neu auftretenden Alltagsbelastungen gewappnet zu sein. Hier sollte vor allem einseitiger Belastung (z. B. durch Tragen auf der Hüfte/Arm) entgegen gewirkt werden, um nachhaltig den Bewegungsapparat zu unterstützen und eventuell auftretenden Schmerzen oder Überlastungen vorzubeugen. Die Belastungssteigerungen sind dabei natürlich sehr individuell zu betrachten. Was sicherlich einige überraschen wird ist, dass sich nach neusten Studien ein leichtes Training der geraden Bauchmuskulatur positiv auswirkt. Natürlich zurückhaltend und den inkompletten Bewegungsradius, aber dennoch leichte An-/ Entspannung der gerade Muskulatur².

 

3. Wir haben schon öfters den Spruch gehört, dass man in der Schwangerschaft und auch danach bei Kniebeugen nicht unter 90 Grad gehen sollte. Ist an dieser Aussage etwas dran?

Ja, diese Aussage ist richtig. Bei Kniebeugen unter 90 Grad kommt die Beckenbodenmuskulatur durch die Becken und Hüftgelenksposition sowie den Inneren Druck der Organe unter maximale Spannung. Das sollte sowohl in als auch direkt nach der Schwangerschaft vermieden werden. Ein richtiges Schema wann, welche Übung wieder ohne Einschränkung durchgeführt werden kann, ist hierbei sehr unterschiedlich.

 

4. Was können suboptimale Übungen und nicht richtig ausgeführte Übungen für Auswirkungen auf den Körper haben?

Das kommt ganz auf die Ausführung und die Übungsauswahl an, im schlimmsten Fall verletzt man sich oder holt sich Langzeitschäden durch häufige Fehl- oder Überbelastungen. Es macht also immer Sinn, die Technik (Bewegungsausführung) über das Trainingsgewicht zu stellen. Das gilt ganz allgemein, egal ob man schwanger ist oder nicht. Dennoch ist ein allgemeines Krafttraining wichtig für unsere Gesundheit. Bezogen auf die Zeit nach der Schwangerschaft, könnte man den Heilungsprozess unterbrechen und sich Folgen wie z.B. eine Rektusdiastase erhalten. Sollte man stillen, muss man auch immer bedenken, dass das Gewebe durch den Hormonstatus weicher bleibt. Der Körper ist während des Trainings weniger belastungsfähig und gehemmt im Muskelaufbau. Das ändert sich erst wieder nach dem Abstillen.

 

5. Was gilt es beim Sport zu beachten, wenn man Probleme mit dem Beckenboden hat, z.B. auf Grund früherer Falsch-/Überbelastungen oder einer erblich bedingten Bindegewebsschwäche?

Man sollte den Beckenboden immer und immer wieder trainieren. Übungen, die Sprungelemente enthalten, vorerst aussparen und vor jeder anderen Übung sich auf das Anspannen des Beckenbodens konzentrieren. Auch bei Bindegewebsschwäche gilt: immer wieder den Beckenboden trainieren. Nur so kann ein (Wachstums-) Reiz gesetzt werden und der Beckenboden stabiler werden. Gleichzeitg sollte einem bewusst sein, dass bspw. Narbegewebe deutlich geringer belastbar und an sich weniger felxibel ist.

 

6. Was sind die häufigsten „Fehler“ die Frauen beim Wiedereinstieg ins Training machen?

Ich möchte nicht von Fehlern sprechen. Viele trauen sich schlicht nach der Schwangerschaft nicht, wieder mit dem Training anzufangen oder fühlen sich erstmals überfordert. Euer Körper meldet euch sehr gut zurück, was er gut findet und was nicht in Ordnung war. Vertraut euch und eurem Körpergefühl! Und falls Letzteres nicht der Fall sein sollte, holt euch Unterstützung für den Wiedereinstieg., sodass das Training sorglos und voller Freude stattfinden kann.

 

Mehr Expertise von Kathi findest du auf ihrem Instagramaccount koerper.kraft. Auch bietet Kathie Remote Programming für Frauen nach der Schwangerschaft an. Wenn du dir immer noch unsicher bist, welche Übungen du machen kannst und welche lieber nicht und du gerne einen genauen Trainingsplan hättest, schreibt ihr einfach eine E-Mail an koerper.kraft@web.de.

 

²https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6454249/


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